Die Architekturen der Arbeit haben sich radikal verändert: Das Bürogebäude der ANZ-Bank in Melbourne gleicht einer riesigen Wohnzimmerlandschaft, die Mitarbeiter_innen von Google gleiten auf einer Kinderrutsche direkt in die Kantine, bei der Spanischen Architekturfirma Selgas Cano sitzen die Mitarbeiter_innen in einer gläsernen Röhre direkt im Grünen. Der Bildband „WorkScape – New Spaces for New Work“ (2013) vom gestalten-Verlag bietet einen interessanten Einblick in neuartige gegenwärtige Arbeitswelten.
Eine Genealogie solcher Büroarchitekturen und der dahinterstehenden Managementtechnologien schreibt Andreas Rumpfhuber in seinem Buch „Architektur immaterieller Arbeit“ (2013). Am Beispiel der ersten „Bürolandschaft“, die 1960/1961 für die Sparte „Bild und Ton“ der Firma Bertelsmann in Güterloh entstand, zeigt Rumpfhuber wie Modelle der Kybernetik für die Unternehmensteuerung nutzbar gemacht wurden: Die Anordnung der Tische im Raum, ihre lockere Gliederung durch Zimmerpflanzen erlaubt Feedbackschleifen in flachen Hierarchien, die zu einer Produktionssteigerung führen.
„Fun Palace“ ist ebenfalls ein Projekt der 1960er Jahre und ein Architekturentwurf von Künstlern, Agit-Prop-Gruppen und Architekten, das sich gegen die zunehmende Rationalisierung und Automatisierung der Arbeitswelt richtet. Die Entwürfe machen den Arbeitsplatz zum Spaßtempel und lassen die Grenzen zwischen Entfremdung und Selbstverwirklichung, aber auch zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend brüchig werden.
Während 1974 das von Rumpfhuber beschriebene „Centraal Beheer“ in Apeldoorn in den Niederlanden errichtet wird, wird in Deutschland ein staatliches Programm zur „Humanisierung des Arbeitslebens“ (Salfer und Furmaniak 1981) aus der Taufe gehoben, das sich mit den Konsequenzen der zunehmenden Rationalisierung und Entfremdung der Arbeit für den Menschen auseinandersetzt.
Die von Rumpfhuber beschriebenen Arbeitswelten haben viele Ähnlichkeiten mit den vom gestalten-Verlag dokumentierten „WorkScapes“: Die Büros der ANZ-Bank haben eine ähnliche Struktur wie das „Centraal Beheer“, das Büro von Google in Zürich ist ein großer „Fun Palace“, in dem die Mitarbeiter_innen kommen und gehen können, wann sie wollen, zwischen ihren Terminen ein workout im Fitness-Studio machen, ein Schläfchen auf der Massageliege im abgedunkelten Aquarienzimmer halten oder ein Privatgespräch in einer Skigondel führen können, die eigens auf Mitarbeiterwunsch in Kooperation mit einer Psychologin eingerichtet wurde. Fast scheint als sei das Projekt der „Humanisierung der Arbeit“ gelungen.
Iris Dzudzek setzt sich in ihrem Aufsatz über „Coworking Spaces“ kritisch mit diesen neuen Architekturen und Formatierungen der Arbeitswelt auseinander. Mit Bezug auf Boltanski und Chiapellos berühmtes Buch „Der neue Geist des Kapitalismus“ (2003) argumentiert sie, dass der zunehmenden Grad an Freiheit, Kreativität, Autonomie sowie die Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung bei der Arbeit mit einem zunehmenden Verlust von bekannten Sicherheiten sowie mit neuen Formen des Zwangs und der Kontrolle einhergehen.
Literatur
Boltanski, Luc; Chiapello, Ève (2006): Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz.
gestalten (2013): WorkScape. New spaces for New Work. Berlin.
Rumpfhuber, A. (2013): Architektur immaterieller Arbeit. (Kollektive gestalten, 1). Wien.
Salfer, P. u. Furmaniak, K. (1981): Das Programm »Forschung zur Humanisierung des Arbeitslebens«. (Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 14, Sonderheft). Stuttgart.