„Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. Lebendig, urban und weltoffen…“ (Eigendarstellung der J.W.Goethe Universität 2014).
Lebendig? Wir, die Studierenden bezweifeln das. Spätestens mit dem Umzug der Universität auf den IGFarben- Campus, oder muss man in geschichtsrevisonistischer Manier inzwischen doch vom Poelzig-Ensemble sprechen, ging ein entscheidender Teil dessen, was ein freies, selbstbestimmtes Studium ausmacht, leider verloren. Der Campus Bockenheim, während der Luftangriffe des zweiten Weltkrieges stark zerstört und in den darauffolgenden Jahren wieder aufgebaut, wollte für ein anderes Deutschland stehen, ein demokratisches, freies Land, welches seinen Nachwuchs durch ein Heranführen an ein eigenständiges Leben und Denken fördern wollte. Ein starkes Symbol hierfür ist zweifelsohne das Studierendenhaus. Max Horkheimer übergab es 1953 seiner Bestimmung mit den Worten: „Das Glück des unabhängigen Denkens und das Bedürfnis nach Freiheit, das aus ihm folgt, ja mit ihm identisch ist, muss gelernt und erfahren sein; es bedarf der Übung und der Gelegenheit, des Beispiels und des Umgangs. […] Wie unendlich klein auch das Ausmaß dieses Hauses im Hinblick auf so hoch gesteckte Ziele erscheint, die Wirkung dieser Zelle wird sich aufs Ganze der Universität und weiterhin erstrecken, es wird ihr Zentrum werden“ (Horkheimer 1953).
Studentische Selbstorganisation wurde zu einer zentralen Säule der Universität und auch dadurch möglich, weil es Räume dafür gab: den Studierenden wurde Raum geboten sich auch jenseits von Seminaren und Vorlesungen auf dem Campus zu betätigen, Arbeit und Freizeit zu verbinden und sich wohl zu fühlen. Auch das Kino „Pupille“ sollte nicht unerwähnt bleiben. All dies war in jener Zeit selbstverständlich, ebenso wie die Tatsache, dass das Hausrecht des Studierendenhauses beim Asta lag. Als in den 70er Jahren der AfE- Turm das Areal komplementierte wurde hiermit so gleich ein Identifikationspunkt für künftige Generationen von Studierenden erschaffen. Von vielen zunächst verachtet, doch von den meisten geliebt, entwickelte er sich mit Institutionen wie dem TUCA zu einem zentralen Ort des Austausches, an dem sich ein reges, studentisches Treiben entwickelte, von dem die zahlreichen Graffitis ein lebendiges Zeugnis geben. Mag die gebaute Umwelt in den letzten Jahren seiner Blütezeit ein wenig Marode geworden sein, einen Platz zum Wohlfühlen, Arbeiten und zum Regenerieren hatte sich immer gefunden. Und heute? Campus Westend?
Der IG-Farbenkomplex hat eine dunkle Geschichte. Durch die Verstrickung der IG-Farben mit den Machthabern des Nationalsozialismus sowie deren Verbrechen schien das Areal zumindest für die Europäische Zentralbank untragbar. Die Goethe-Universität hatte hiermit weitaus weniger Probleme. Der ehemalige Universitätspräsident Werner Meißner versuchte zwar anfangs etwas unglücklich, sich mittels einer geplanter Umbenennung der Geschichte zu entledigen, scheiterte hiermit allerdings kläglich. Dennoch gestalterisch brechen die hiesigen Gebäude mit der demokratischen Tradition des Campus Bockenheim. Mit der Fortsetzung dieser „architektonischen Meisterleistung“ wurde ein katalogartiger, Hochglanzcampus erschaffen, die eine neue Ideologie verkörpern.
„Die Planung aller Neubauten des Campus Westend folgte von Anfang an dem Ziel, das neue neoliberale Selbstverständnis einer Universität im 21. Jahrhundert zum Ausdruck zu bringen“ (Professor Jürgen Hasse ). Einige scheinen ihn zu mögen, aber ein wahres, studentisches Leben ist hier nicht mehr möglich. Versuche diese zu erschaffen werden vom Dekanat und dem Unipräsidium unterdrückt und geahndet. Die Beispiele hierfür sind zahlreich, wie die Casino-Besetzung 2009, oder die im letzten Jahr erfolgten Aktionen „Campuscamp“ und „Indoorcamp“. Studentische Institutionen wie das TUCA müssen sich nach hartem Kampf mit Teeküchen zufriedengeben und den Studierenden bleibt bei vollen Bibliotheken neben schlecht durchdachten und vereinzelten Sitzgelegenheiten nur noch der kalte Marmorboden… Ein abendlicher Spaziergang über dem Campus gleicht dem einer Geisterstadt. Rückzugsräume wie das KOZ sind nicht existent, Seminar- und Vorlesungsräume verschlossen und man kann von Glück sprechen einen Platz in der lauten Rotunde, oder dem versteckt liegenden Cafe im Katholischen Wohnheim zu ergattern. Was ist also, aus dem Wünschen Horkheimers geworden? Im Zweifel nichts… Unter den Bedingungen am Campus Westend und einer Studiumsreglementierung à la Bologna hat man als Studierende_r nur noch zu funktionieren und ist zum Kunden einer Dienstleistung degradiert. Räume für studentische Gruppen und Aktivitäten? Fehlanzeige! Freies Denken unerwünscht!