Eine Raumkapsel landet als Fremdkörper im Uni-versum
Heute ist auf der Koordinate PEG 2.G047 des Goethe-Uni-Versums inmitten unseres Forschungslabors eine neuartige Raumkapsel gelandet.
Dieser Fremdkörper nimmt Anstoß an bestehenden Architekturen des Campus und steht in einer kritischen Spannung zu den Verhältnissen des Arbeitens und Studierens dieser Universität. Er gibt Impulse für neue soziale Prozesse und erweist sich für uns als ein Werkzeug zur Organisation von Räumen.
Im vergangen Semester hat das Labor für Raumstrategien gegenwärtige Architekturen des Studierens und Arbeitens untersucht. Dabei interessierten uns aktuelle (Um-) Gestaltungen und Formatierungen des Studiums und der Arbeitswelt sowie Management- und Raumstrategien, die diese anleiten. Wir haben die Konzeption, Organisation und aktuelle Nutzung des Instituts vor dem Hintergrund konkreter Bedürfnisse von Studierenden und Mitarbeiter_innen befragt und festgestellt, dass im PEG zahlreiche Raumtypen fehlen. Diese fehlenden Raumtypen haben wir zu einer Raumkapsel verdichtet, mit der in Zukunft neue Sozial- und Arbeitsformen in der Uni erprobt werden können. Neben ihrer Nutzung als Rückzugs- und Leseort, Arbeitsort für kleine Gruppen, Institutskino, Infostand oder Bar verstehen wir die Kapsel als einen Ort im Schwebezustand, der offen lässt, was dort alles passieren kann. Die Raumkapsel setzt sich aus verschiedenen Modulen zusammen. Sie ist eine Formenschatzkiste. Der modulare Aufbau dieses plötzlich aufgetauchten Fremdkörpers befähigt zu einem schnellen und einfachen Umbau zu neuen Nutzungsformen. Die Möglichkeit zur individuellen Raumgestaltung ermöglicht die Organisation einer Vielzahl von Sozial-und Arbeitsformen. Es ist aber auch möglich, den Kubus beliebig mit neuen Elementen zu erweitern. Er ist ein Prototyp, der sich stets den Bedürfnissen des Arbeitens anzupassen und sich mit diesen zu entwickeln kann.
Die Kapsel setzt sich als drei Elementen zusammen: Einem halben Kubus, der für die Schaffung intimer Räume steht, einem Zelt, welches uns als politische Technologie der neuen sozialen Bewegungen inspiriert hat, sowie einer „Innen-“ und einer „Außenbanane“, die als Tisch, Tresen oder Sitzmöglichkeit dienen können.
Durch die Rollen, die an dem Kubus angebracht wurden, ist es möglich, ihn frei durch das Gebäude zu bewegen. Er ist dabei so konzipiert, dass er durch jede Tür des Institutes passt. Aber seine Nutzung soll natürlich nicht auf dieses Gebäude beschränkt sein. Der Kubus kann durch eine leichte Montage und Demontage überall auf dem Campus zum Einsatz kommen. Ihn für abendliche Freizeitveranstaltungen wie Musik-oder Diskussionsveranstaltungen im Freien zu nutzen ist ebenso möglich, wie an einem sonnigen Tag unter seinem schattenspendenden Zelt Unterschlupf zu suchen und in der Gruppe die nächsten Schritte der Hausarbeit zu besprechen. . Durch seine Mobilität und die Möglichkeit seiner wohnt ihm eine nomadische Natur inne. Seiner Nutzungsmöglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt, nur die unserer Kreativität.
In Zeiten der bolognareformierten Universität fehlen gemeinschaftliche Räume ebenso wie selbstverwaltete Räume, die neue und andere Formen des sozialen Austauschs zulassen. Der Raum bietet ein Forum für alle Projekte und Austauschformen von Menschen, die in der Universität mehr sehen als einen Produktionsort von Employability, Wettbewerb und Exzellenz.
Wir wiedersprechen mit dieser Raumkapsel der Ideologie der Flexibilisierung der Arbeit, die durch eine Öffnung der Räume und somit einen permanenten Zugriff, eine vollkommene Eingliederung in den Arbeitsprozess organisiert, selbst in Pausen und Phasen der Erholung. Wir setzen ihr einen Fremdkörper entgegen, der mit dieser Logik bricht und im dem man sich durchaus zurückziehen kann. Der Kubus ermöglicht eine flexible, bedarfsgerechte aber auch zeitlich begrenzte Aneignung und Gestaltung des Raumes als Arbeits-, politischer aber auch als Rückzugsraum, der sich der dominanten Logik der Universität entzieht. Innerhalb der kühlen, observierten und starren Strukturen der Universität wird zukünftig eine neue Form der Selbstorganisation möglich sein.
Nicht nur die Struktur der Raumkapsel, sondern auch die Art wie wir im Labor für Raumstrategien Zusammenarbeiten sehen wir auch als einen Bruch gegenüber den strikten Strukturen des Studierens an unserer Universität an. Während die meisten Veranstaltungen durch klare Wochenstunden und Lehrpläne geregelten sind, befreiten wir uns vollkommen von derartigen Rahmenbedingungen. Durch Motivation getrieben kamen wir oft außerplanmäßig unter der Woche wie auch am Wochenende zusammen und diskutierten oftmals stundenlang über die Zukunft und die Umsetzbarkeit unseres Projektes. Wir tauchten in Arbeitsorganisationsprozesse ein und begannen damit sie selbst zu ermöglichen und zu gestalten, anstatt dieses Thema ausschließlich theoretisch zu behandeln. Hierbei gerieten wir auch in Sackgassen, die eine gedankliche Kehrtwende nötig machten, jedoch durch die vielfältigen Ideen, die unsere Zusammenarbeit hervorbrachte, möglich waren. Wir begnügen uns also nicht nur mit Kritik an den bestehenden Verhältnissen des Studierens und Arbeitens, sondern präsentieren hier erste Elemente einer Utopie alternativer Sozial- und Arbeitsformen. Zwischenzeitlich waren unsere Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse so unterschiedlich, dass der Prozess fast gescheitert wäre. Wollen wir einen Rückzugsraum, einen Arbeitsraum oder einen politischen Raum? Wir sehen es als Qualität dieses Prozesses an, dass er Differenzen aushalten kann, ohne sie im Ergebnis auszumerzen und einen glorreichen Konsens zu präsentieren. Diese Veranstaltung stellt somit für uns eine Alternative zu den Prozessen und Strukturen andere Seminare dar. Unser erstes Ziel eine Kapsel zu schaffen, die unsere Wünsche vereint und sich ihren Bedürfnissen anpassen kann, die verschiedenen fehlende Raumtypen in sich vereint, nach außen hin jedoch vollkommen von den neoliberalen Strukturen des universitären Raumes abhebt, ist also erreicht.
Ein Raum ist nur so gut wie die soziale Praxis, die ihn immer wieder hervorbringt. Daher gilt es nun sie, gemeinsam mit Euch zu erproben, Eure Wünsche und Bedürfnisse aufzunehmen und sie gemeinsam mit Euch im kommenden Semester weiterzuentwickeln. Im kommenden Semester werden wir uns daher dafür einsetzen, dass die Raumkapsel ihren Weg durch die Uni findet, in verschiedenen Situationen und an unterschiedlichen Orten genutzt wird und unsere Botschaft weiter trägt. Wir erheben nicht den Anspruch die ultimative Raumstrategie entwickelt zu haben. Unsere Raumkapsel ist eher wie ein erster Prototyp zu sehen, der für den Versuch steht, neue und fehlende Prozesse hier an der Uni in Gang zu setzen. Plant ihr eine Diskussionsveranstaltng? Eine Party? Eine Filmreihe? Kommt auf uns zu und wir entwickeln das gemeinsam. Wir werden uns für neue kreative Nutzungsmöglichkeiten einsetzen und unsere Raumkapsel – mit Hilfe Eurer Bedürfnisse und Anregungen – modifizieren oder sogar neue Varianten und Typen konstruieren. Als ein Werkzeug zur Gestaltung eigener Studienverhältnisse wird sich unser Konstrukt stets den Bedürfnissen seiner Nutzer_innen anpassen. Wie sich dieser Prozess fortschreibt ist, trotz vieler Idee, offen.
Wir laden Euch/Sie herzlich ein, Teil dieses Prozesses mit offenem Ausgang zu werden, gemeinsam neue Raumstrategien zu erforschen, mit ungewohnten Arbeitskontexten und sozialen Situationen zu experimentieren, den Ort fortzuschreiben und jetzt mit einem “Cubus libre” anzustoßen.